Das Problem der Interoperabilität

Verständigungsschwierigkeiten im IoT

Von Hartmut Schumacher · 2022

Das Internet der Dinge kann nur dann effektiv funktionieren, wenn die Geräte in ebendiesem Netz tatsächlich imstande sind, problemlos miteinander zu kommunizieren, um Informationen oder Anweisungen auszutauschen. Aber ebendiese Interoperabilität ist momentan noch nicht in ausreichendem Maße gegeben.

Eine Person hält sich in einer zuhörenden Geste die Hand ans Ohr.
Auch technische Systeme verstehen einander oft nicht. Foto: iStock / SIphotography

Neben Organisationsproblemen und Cyberrisiken ist besonders die fehlende Interoperabilität ein Grund dafür, „dass die Nutzung des Internets der Dinge vor allem in Fabrikumgebungen noch hinter ihrem Potenzial zurückbleibt“, erläutert Bodo Koerber, Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey. Es gibt etliche Standards bei der Kommunikation und bei den Datenformaten, die nebeneinander existieren. Viele Hersteller brauen ihr eigenes Süppchen, was zu Insellösungen führt und zu sogenannten Datensilos – Datenbeständen also, die unerwünscht nur bestimmten Bereichen des Unternehmens zur Verfügung stehen. Noch größer sind die Kommunikationsprobleme, wenn Standards aus unterschiedlichen Branchen aufeinandertreffen. Viele Unternehmen kommen daher laut McKinsey beim Nutzen des Internets der Dinge nicht über die Pilotphase hinaus.

Dieses Problem betrifft nicht nur produzierende Unternehmen. Auch im Gesundheitswesen sowie in den Bereichen Smart Home und Smart City kommt es oft zu digitalen Verständigungsschwierigkeiten.

Smarte Wohnungen und Kliniken

Smart-Home-Lösungen werden zwar immer beliebter, sind aber immer „noch nicht im Mainstream angekommen“, so das Ergebnis des aktuellen „Faktenchecks Consumer IoT“ vom Bundesverband Digitale Wirtschaft und der Unternehmensberatung Deloitte. Der Grund dafür sind – neben Sicherheitsbedenken – die fehlende Interoperabilität und eine „fragmentierte, unübersichtliche Anbieterlandschaft“. Das steht dem Interesse der Benutzer diametral entgegen: Einer etwas älteren Deloitte-Umfrage zufolge ist es für 71 Prozent der Konsumenten wichtig oder sehr wichtig, ihr Smart-Home-System mit Geräten anderer Anbieter erweitern zu können.

Ähnlich sieht es im Gesundheitswesen aus: Oft kommen Krankenhausinformationssysteme zum Einsatz, die ihre Daten nur über herstellereigene Schnittstellen preisgeben. Dies macht es den Kliniken schwierig oder unmöglich, Geräte anderer Anbieter einzubinden, was den Informationsaustausch in den Krankenhäusern unnötig bremst – und Innovationen erschwert.

Lösungen für das Problem der Interoperabilität

Viele der Interoperabilitätsprobleme lassen sich auf Umwegen lösen, beispielsweise durch Einsatz von Middleware – Software, die als Übersetzer zwischen den verschiedenen Standards fungiert. Das ist jedoch aufwendig und daher teuer.

Langfristig sind offene Standards nötig, die also öffentlich zugänglich und für jeden Interessenten nutzbar sind. Derartige Standards müssen auch Methoden zum Verschlüsseln von Daten sowie zum Authentifizieren und Protokollieren von Zugriffen bieten. Nur so lassen sich die übertragenen Daten zuverlässig schützen.

Etliche Unternehmensbündnisse kümmern sich um das Entwickeln solcher Standards. Darunter die Open Industry 4.0 Alliance um SAP und Kuka, die Open Manufacturing Platform um BMW, Bosch und Microsoft sowie die schon seit 1994 bestehende OPC Foundation. Von Bedeutung für die deutsche Industrie ist vor allem der quelloffene Datenaustauschstandard „OPC UA“, dessen Weiterentwicklung vom Wirtschaftsministerium gefördert wird.

Diese Standards benötigen allerdings Zeit, um in der industriellen Realität anzukommen: Das ebenfalls vom Wirtschaftsministerium geförderte Projekt IIP-Ecosphere, an dem 76 deutsche Forschungseinrichtungen und Unternehmen beteiligt sind, hat die derzeit erhältlichen Industrial-Internet-of-Things-Plattformen im vergangenen Jahr unter die Lupe genommen. Es kommt zu dem Schluss, dass die untersuchten Plattformen die Grundfunktionen zwar „ausreichend“ abdecken. Neuere Datenstandards und Protokollfamilien würden hingegen noch nicht hinreichend unterstützt. Die Offenheit und die Erweiterbarkeit der Plattformen ließen in vielen Fällen ebenfalls noch zu wünschen übrig, was die Interoperabilität verschiedener Systeme und Systemkomponenten stark einschränke.

Strenge Vorgaben in Krankenhäusern

Im Gesundheitswesen wird sich die Situation in nächster Zukunft deutlich verbessern: Seit Ende Juni dieses Jahres dürfen Krankenhäuser nur noch solche informationstechnischen Systeme einsetzen, die durch die Gematik zugelassen wurden. Allerdings gilt eine Übergangsfrist von 24 Monaten. Die Gematik setzt dabei auf den von der Standardisierungsorganisation Health Level Seven International entwickelten Standard FHIR, der den Datenaustausch innerhalb von Krankenhäusern, aber auch über Sektorengrenzen hinweg erleichtern soll.

Neuer Standard für Smart Homes

Gute Chancen, die Kommunikationsmisere im Bereich Smart Home zu beenden, hat der neue Standard „Matter“. Er soll es Geräten verschiedener Hersteller ermöglichen, von Haus aus zusammenzuarbeiten, sodass Anwender ihre Systeme leichter erweitern können. Auch auf sichere Datenübertragungen legt der Standard Wert. Zudem ist er gebührenfrei nutzbar. Dass Matter höchstwahrscheinlich nicht einfach nur ein weiterer Standard neben vielen anderen sein wird, dafür sorgt die Marktstärke der beteiligten Unternehmen: Zu den Gründungsmitgliedern dieses Projekts gehören Industriegiganten wie Google, Apple und Amazon. Hinzu kommen über 180 weitere Unternehmen und Organisationen, darunter bekannte Namen wie die Deutsche Telekom, Dekra, Gardena, Miele, Bosch, Samsung, Huawei, Ikea und Facebook.

Quellen:
VDMA: Digitalisierung & Industrie 4.0
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: IT-Sicherheit / Interoperabilität

Bitkom: Industrie 4.0 – so digital sind Deutschlands Fabriken

Clevere Städte

Auch für Smart Citys ist Interoperabilität ein entscheidender Faktor. Laut der Studie „Interoperabilität von Smart City-Datenplattformen“ des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums handelt es sich bei den meisten Smart-City-Aktivitäten derzeit noch um Pilotprojekte, die nur eine geringe Anzahl von Datenquellen verwenden. Daher ist die Interoperabilität noch kein großes Problem. Sobald jedoch realistischere und daher komplexere Umsetzungen verwirklicht werden sollen, sei die Interoperabilität eine der Hauptanforderungen, die es zu berücksichtigen gilt.

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